Eine glückliche Familie
Ich heiße Katja Wrede, bin 33 Jahre alt, verheiratet mit Claus-Christian Wrede (38 Jahre, KS-Träger) und habe drei Kinder. Als wir im August 2000 heirateten, ahnten wir nicht, was für Umwege wir gehen müssen, um eine kleine Familie zu werden. Nach zweijähriger Kinderlosigkeit ließen wir uns untersuchen. Der Urologe meines Mannes konnte anhand eines Blutbildes nichts erkennen und ließ ein Spermiogramm erstellen. Dieses war für ihn anscheinend ungewöhnlich, so dass er noch ein zweites anfertigen ließ. Auch dieses sagte aus, dass mein Mann keine Spermien besäße. Daraufhin überwies er ihn zur Andrologie in die Berliner Charité, ohne einen konkreten Verdacht zu äußern. Dort erfuhren wir dann nach weiteren Untersuchungen, dass er das Klinefelter-Syndrom habe. Der Arzt klärte uns in einem Gespräch über die Ursachen und unsere weiteren Möglichkeiten auf. Der Schock saß tief, hatten wir uns doch sehr eigene Kinder gewünscht…
In den nächsten Tagen informierten wir uns im Internet genauer über das Syndrom und seine Behandlungsmöglichkeiten. Nach einigen Tagen luden wir unsere Eltern ein, um ihnen davon zu berichten und auch, damit die Fragerei nach Enkeln aufhört. Unsere Eltern waren fassungslos, entsetzt, bestürzt. Ich glaube, hauptsächlich meine Schwiegermutter hatte sehr damit zu kämpfen und wir versicherten ihr, dass sie keine Schuld hätte.
Wie sollte es nun weitergehen? Eine Adoption kam für uns vordergründig nicht in Frage und so entschlossen wir uns ziemlich schnell, einen Termin in der Kinderwunschsprechstunde der Berliner Charité zu machen. Der 30. April 2003 bleibt uns wohl für immer im Gedächtnis. An diesem Tag fand das erste Gespräch mit der Oberärztin Frau Dr. med. Pfüller in der Charité statt und sollte der Beginn eines neuen Abschnittes in unserem Leben werden. In diesem Gespräch ging es darum, ob wir aus psychologischer Sicht geeignet sind, ein Kind durch Fremdsperma zu bekommen und wurden über die Einzelschritte des Verfahrens sowie über die Erfolgsaussichten und Komplikationsmöglichkeiten aufgeklärt. Besonders meinem Mann wurde vor Augen geführt, was für Probleme später für ihn auftauchen könnten. Wir waren zuversichtlich, alle kommenden Hürden zu meistern und bekamen das Okay.
Bevor die eigentliche Kinderwunschbehandlung losgehen konnte, mussten wir zu einem Notar. Dort wurden alle vertraglichen Regelungen zu den Unterhaltsverpflichtungen des Partners, zum Verhältnis der Eltern und des Kindes gegenüber dem Arzt, der Samenbank und dem Samenspender, sowie rechtliche Hinweise zur Vaterschaftsanerkennung und zum Recht des Kindes auf Feststellung seiner genetischen Herkunft notariell beurkundet.
Mit diesen zwei Bescheinigungen gingen wir dann zu einer uns empfohlenen Samenbank. Dort wurden unsere Daten wie Alter, Größe, Gewicht, Augen- und Haarfarbe und Merkmale aus unseren Familien aufgenommen. Mit diesen Daten suchte der Urologe später dann den geeigneten Spender aus. Wir hatten keinerlei Mitspracherecht, anders als in den USA, wo es möglich ist, Spender anhand von gewünschten Eigenschaften auszusuchen. Wir unterschrieben den „Kaufvertrag“ und nun konnte es losgehen. In der Berliner Charité wurde ich untersucht und hormonell eingestellt. Aufgrund von Ultraschalluntersuchungen wurde mittels einer Spritze der Eisprung ausgelöst und am nächsten Tag die Insemination vorgenommen – dabei wird der Frau eine Kanüle in die Gebärmutter eingeführt und der Samen eingespritzt. Nun hieß es abwarten. Leider wurde ich nicht schwanger – was bei einer Erfolgsaussicht von 40 % nach drei Versuchen auch nicht von uns erwartet wurde. Doch welch eine Freude, schon beim zweiten Mal klappte es und wir erwarteten unser erstes Kind. Die Schwangerschaft verlief nach anfänglichen Komplikationen reibungslos und im Juli 2004 wurde dann unser Sohn Julian geboren. Da er mir sehr ähnlich sah, kam keiner auf die Idee, dass Julian nicht der leibliche Sohn von uns beiden sei. In der Anfangszeit hatte mein Mann schon ein wenig damit zu kämpfen, dass Julian nicht „sein“ Sohn ist. Wir hatten oft das innerliche Bedürfnis, uns anderen gegenüber erklären zu müssen, wann immer Julian bewundert wurde. Mit der Zeit ließ es nach und inzwischen ist es nun das normalste der Welt, dass Julian durch Fremdsperma gezeugt wurde.
Julian entwickelte sich gut und bald entschieden wir uns, später einmal weitere Kinder zu wollen und reservierten uns deshalb vom gleichen Spender Samen für weitere Versuche, damit die Kinder den gleichen biologischen Vater hätten. Nach drei Jahren entschieden wir uns für einen neuen Anlauf. Die Prozedur war die Gleiche, wie beim ersten Mal – aber diesmal klappte es gleich beim ersten Versuch. Das Risiko einer Mehrlings-Schwangerschaft war uns bewusst, und doch waren wir erst einmal schockiert über die Nachricht Zwillinge zu bekommen. Nach einer ruhigen Schwangerschaft kamen unsere Zwillinge, Amelie und Constantin, im Juli 2008 per Kaiserschnitt zur Welt. Unsere Familie ist nun komplett. Wenn unsere Kinder größer sein werden, werden wir ihnen von dem anderen „Papa“ erzählen.
Zum Abschluss ist noch kurz etwas zu den Finanzen zu sagen. Wir mussten alles selber zahlen (jeweils ca. 3000 Euro), da die Krankenkasse eine solche Behandlung nicht als Heilmittel ansieht und deshalb nichts bezahlt. Wir sind sehr glücklich und dankbar über die Möglichkeit, eigene Kinder mittels Fremdspermieninsemination bekommen zu haben und wollen anderen Paaren Mut machen, den gleichen Weg zu gehen.
Katja Wrede | Telefon 030. 5321 1091